Grüne Aktienfonds: Was bewegen sie wirklich?

 

 

Fondsmanager suchen nicht nur nachhaltige Unternehmen, sondern drängen zudem auf weitere Transformationsschritte – soweit die Theorie. In der Praxis nehmen sie ihre Aktionärsrechte aber bisweilen halbherzig wahr. Woran das liegt und wie sie besser werden können.

Larry Finks jährlichen „CEO-Letter“ lesen Manager in der ganzen Welt genau. Denn Fink ist der Chef des weltgrößten Vermögensverwalters Blackrock und damit der mächtigste Aktionärsvertreter auf dem Globus. Seine diesjährige Botschaft war eindeutig: Er erwarte, dass Unternehmen die grüne Transformation entschlossen vorantreiben und ambitionierte Klimaschutzziele verfolgen.

Doch wie ernst ist es Fink damit? Der Verlauf der Hauptversammlungssaison 2022 lässt Zweifel aufkommen. Denn Blackrock hat in den USA weniger als ein Viertel der für mehr Klima- und Umweltschutz unterstützt. In der Regel schlug sich der Fondsgigant also auf die Seite des Managements – oft mit dem Argument, die Vorschläge der anderen Aktionäre gingen zu weit.

Das war Wasser auf die Mühlen von Kritikern, die der Branche verbreitetes Greenwashing vorwerfen. Wie weit ist es also her mit dem Versprechen, nicht nur Geld gesellschaftlich sinnvoll anzulegen, sondern im Zweifel auch das Gespräch mit Managern zu suchen (Engagement) und sie durchaus unter Druck zu setzen („Stimmrechtsverhalten und Eskalationsmechanismen“)? Nehmen selbst Fonds, die sich hoher ESG-Standards rühmen, ihre Aktionärsrechte und Dialogoptionen nur halbherzig wahr?

Das wäre fatal. Denn dann müssten wir die Hoffnung begraben, dass Investoren ihre zentrale und wichtige Rolle bei der Transformation der Wirtschaft spielen.

Klimaschutz ist „auch im finanziellen Interesse“   

Ingo Speich sieht dafür keinen Grund. „Engagement gewinnt bei vielen Fondsgesellschaften an Bedeutung“, sagt der Leiter Nachhaltigkeit & Corporate Governance bei Deka Investment. Das liege auch an neuen gesetzlichen Vorgaben für Aktionäre, habe aber vor allem wirtschaftliche Gründe: „Ohne den direkten Austausch mit Vorständen und Aufsichtsräten hätten wir ein Informationsdefizit.“

Zudem sei die Reduktion von Klimarisiken ein entscheidender Faktor für die langfristige Unternehmens- und Aktienkursentwicklung. „Auf eine entschlossene Transformation zu drängen, ist deshalb auch im finanziellen Interesse unserer Anleger“, sagt Speich. In den letzten Jahren habe sich immer wieder gezeigt, dass Fonds das Management „positiv beeinflussen können“.

In der Tat hat der Druck des Kapitalmarkts Veränderungen bewirkt. So haben laut Speich nachhaltig orientierte Fonds dazu beigetragen, dass der Energiekonzern RWE stärker auf erneuerbare Energie setzt. Und mehrere Autokonzerne haben nach lautstarker Kritik aus dem Aktionärslager zumindest für mehr Transparenz gesorgt, was klimaschädliche Emissionen .

Allerdings bleibt die Frage, wie vehement Fondsmanager tatsächlich mehr Klimaschutz einfordern. Kritiker monieren, dass ihre Bemühungen häufig nicht ausreichen – und dass einigen im Zweifel kurzfristig hohe Dividenden wichtiger sind als grüne Investitionen, die sich erst in der Zukunft rechnen.  Unternehmen, die sich jetzt nicht im Sinne einer treibhausgasneutrale Transformation neu aufstellen,  könnten künftig jedoch das Nachsehen haben.

„Es besteht die Gefahr, aneinander vorbeizureden“

Klar ist: Wer es ernst meint mit dem Engagement, muss Zeit und Geld einsetzen. Research, Reisen, Experten(wissen) – all das will bezahlt werden. So hat Deka Investment sein Team seit 2019 von fünf auf fünfzehn Mitarbeitende aufgestockt. Sie analysieren Unternehmensberichte und -strategien, reisen zu Hauptversammlungen und führen Gespräche mit Vorständen und Aufsichtsräten.

„Der Dialog mit Verantwortlichen ist ein besonders vielversprechendes Instrument“, sagt Speich. Während die Redezeit auf Hauptversammlungen oft auf höchstens zehn Minuten begrenzt sei, habe man in den direkten Gesprächen meist 60 bis 90 Minuten Zeit. Speich und seine Kollegen sprechen dann über operative Maßnahmen, aber auch darüber, ob Boni-Systeme die richtigen Anreize schaffen. Sind sie z. B. an das Erreichen von Klimazielen geknüpft?

Dabei taucht immer wieder ein Problem auf: Die ESG-Kompetenz ihrer Gesprächspartner ist bisweilen überschaubar. „In solchen Fällen besteht die Gefahr, dass wir aneinander vorbeireden“, sagt Speich. Er drängt deshalb schon lange auf mehr ESG-Expertise in den Top-Gremien. „Gerade Aufsichtsratschefs sind häufig altgediente Manager, die Karriere gemacht haben, als das Klima noch kein Kernthema war.“

Zudem müssten sich neue Standards für Engagement-Prozesse und Dialoge zwischen Real- und Finanzwirtschaft etablieren, so Speich. Unternehmen wiederum beklagen, dass Investoren immer wieder zu wenig über die Chancen und Herausforderungen ihres Sektors wissen.

Engagement als Transformationsbeschleuniger

Hier setzen die branchenspezifischen „Orientierungsrahmen für Unternehmens-Dialoge“ an, die Pathways to Paris mit Unternehmen und Investoren entwickelt hat. Sie sorgen für eine gemeinsame Gesprächsgrundlage, indem sie – in Verbindung mit dem Transformationstool – die entscheidenden Ziele, Kennzahlen und Maßnahmen definieren.

Beispiel HVC – Kunststoffproduktion: Der Leitfaden zeigt, dass die „Elektrifizierung“ der Produktion mit grünem Strom soweit möglich alsbald erfolgen muss. Zudem ist es wichtig, die Energieeffizienz zu erhöhen, das Thema Kreislaufwirtschaft strategisch zu verankern und erste Schritte zu machen, um künftig Kohlendioxid abzusondern (Carbon Capture and Storage, CCS).

Damit ist in Zukunft allen Beteiligten klar, worüber zu reden ist. Statt Vorgeplänkel oder „Aneinander-Vorbeireden“ können sie direkt zur Sache kommen – und strukturierte, effiziente Gespräche führen, die „Engagement“ zum Transformationsbeschleuniger machen.

Das ist für beide Seiten eine große Chance. Für Vorstände und Aufsichtsräte, weil sie Impulse bekommen, um ihre Unternehmen besser aufzustellen und für ihre finanziellen Begleiter, weil sie sie besser verstehen. Für Investoren auch, weil sie die Wahrscheinlichkeit auf langfristig steigende Kurse erhöhen – und zugleich Pauschalkritik begegnen, der zufolge grüne Aktienfonds potemkinsche Dörfer sind, hinter deren Fassade sich „business as usual“ verbirgt.