Sustainable Finance: Weiß Ihre Bank schon, was sie tut?

 

 

Banken sollen mehr grüne Geldanlagen empfehlen und Kreditvergaben an Nachhaltigkeitskriterien koppeln. Doch dafür fehlt oft das Knowhow. Die Branche braucht einen Weiterbildungs-Booster.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat eine gravierende Schwäche in der Finanzbranche identifiziert – die Nachhaltigkeitskompetenz in den Chefetagen. Bisher erfüllt kein Geldhaus auch nur annähernd ihre Erwartungen, wie sie im November kritisierte. Doch damit soll bald Schluss sein: Vorstände und Aufsichtsrät:innen von Geldhäusern müssen neuerdings „adäquate Fachkenntnisse zu Klima- und Umweltrisiken“ nachweisen.

So steht es im neuen „Leitfaden zur Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit“ („Guide to fit and proper assessments“), den die EZB im Dezember veröffentlicht hat. Darin kündigt sie zudem an, künftig in „Interviews“ zu überprüfen, wie viel Knowhow Bankenchef:innen tatsächlich mitbringen. Für Entscheider:innen ist es deshalb höchste Zeit, in Sachen Sustainable Finance nachzulegen. Und das heißt vor allem: Knowhow aufbauen – und das nicht nur bei sich selbst.

CEOs müssen also schon bald zum Nachhaltigkeitsrapport erscheinen, und auch darüber hinaus machen Regulierer Druck. So hat die deutsche Finanzaufsicht BaFin Banken bereits Ende 2019 in einem „Merkblatt“ ermahnt, Nachhaltigkeitsrisiken bei der Kreditvergabe stärker zur berücksichtigen.

2022 zünden Aufsichtsbehörden nun die nächste Stufe: Banken müssen dann en détail berichten, welche Klimarisiken in ihren Kreditportfolien schlummern.

Risiken reduzieren, Transformation finanzieren

Zudem müssen Kundenberater:innen im Wertpapiergeschäft Anlegende ab August nach ihren „Nachhaltigkeitspräferenzen“ fragen – und dann ausschließlich Produkte empfehlen, die dazu passen. Das soll für einen Schub bei grünen Geldanlagen sorgen und die Sensibilität für Greenwashing erhöhen.

Das zeigt: Es geht nicht nur darum, zusätzliche Risiken im Kreditgeschäft zu verhindern und einer weiteren Finanzkrise vorzubeugen. Zugleich sollen Banken und Finanzmarktakteure die ökologische Transformation der Wirtschaft finanzieren – und mehr Kapital für Unternehmen und Projekte im Wandel mobilisieren („Shifting the trillions“).

Bankgebäude

Banken stellt das vor große Herausforderungen. So müssen Anlageberater:innen die die neuen Anforderungen erfüllen wollen, grüne von grüngewaschenen Geldanlagen unterscheiden können. Und das ist alles andere als trivial, auch weil die Angaben der Fondsanbieter meist unzureichend sind. So lässt sich oft nicht beurteilen, ob die Geldanlagen überhaupt wesentlich zur Erreichung konkreter Ziele beitragen – sei es im Sinne eines positiven Impacts oder zur Vermeidung negativer Auswirkungen.

Von Anlageexpert:innen zu Branchenkenner:innen

Das zeigt etwa der „Erwärmungsbeitrag“, der sich wachsender Beliebtheit erfreut. Die Kennzahl soll zeigen, um wie viel Grad die Erde aufheizen würde, wenn die Weltwirtschaft allein aus den Unternehmen im Fondsportfolio bestünde.

Der Haken: Einige Fondsanbieter berücksichtigen nur (historische) Treibhausgase, die Unternehmen durch die Produktion verursachen – nicht aber Emissionen, die durch die Nutzung ihrer Produkte bzw. Services entstehen. Eine Orientierung an wissenschaftsbasierten Zielen? Fehlanzeige. Dadurch avancieren etwa Klimasünder schnell zu Klima-Musterknaben – und Indexfonds, die entsprechende Indices, wie z.B. den Dax abbilden, zu nachhaltigen Investments. Auf dem Papier jedenfalls. Anlageberater:innen müssen die unterschiedlichen Zielsetzungs- und Berechnungsmethoden sowie deren Besonderheiten und Defizite deshalb genau kennen.

Keinesfalls trivial ist zudem die Frage, ob Unternehmen auf einem vielversprechenden Transformationspfad und damit auch langfristig kreditwürdig sein können. Um das zu beurteilen, sind detaillierte Industrie- und Technologie-Kenntnisse nötig: Aus Kreditexpert:innen müssen Branchenkenner:innen werden, wenn Banken hohe Kreditrisiken und Ärger mit der Finanzaufsicht verhindern wollen.

Als Partner positionieren

Paar bei der Vertragsunterzeichnung

Zugleich bietet der Aufbau von Fachkenntnissen erhebliche wirtschaftliche Chancen. So können sich Banken als Transformationspartner positionieren, die Unternehmen bei Umbau und Innovationen unterstützen, statt lediglich ESG-Kennziffern abzufragen (und im Zweifel die Daumen zu senken, wenn es – noch – nicht passt).

Entscheider:innen sind deshalb gut beraten, Weiterbildungsprogramme anzuschieben bzw. auszubauen – für die Berater:innen an der Front, aber auch für die Führungskräfte. Denn wer nach Nachhaltigkeitskriterien steuern soll, muss selbst wissen, was zählt. Expert:innen an Ahnungslose berichten zu lassen, wäre eine schlechte Idee.

Deshalb ist es wichtig, dass die EZB in ihrem neuen Leitfaden auch ganz oben Kompetenz einfordert. Vorstände und Aufsichtsräte sollten das als Auftrag zur Selbstevaluation begreifen – und in Sachen Weiterbildung mit gutem Beispiel vorangehen. Für ihre Bank und fürs Klima.