"Wir müssen jetzt mutig voran gehen."

 

 

Abschlusskonferenz von „Pathways to Paris“ im Allianz-Forum in Berlin

Veränderung, weg vom Status quo, raus aus der Komfortzone – das ist nicht immer leicht. Vor allem dann nicht, wenn 300 Jahre Industriegeschichte vor einem kompletten Umbau stehen, der in nur 30 Jahren geschafft sein muss. Um Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen, müssen in den kommenden zwei Jahrzehnten etwa sechs Billionen Euro investiert werden – sowohl in die Dekarbonisierung der Energieversorgung, des Verkehrssektors und der Schwerindustrie als auch etwa in die energetische Sanierung von Immobilien. und und und. Doch aktuell steht diese Transformation hinten an: Klima-, Natur-, Energiekrise, Inflation, Ressourcenknappheiten und unterbrochene Lieferketten dominieren. Dass sich all die Krisen überlappen, ist wenig überraschend und verlangt mehr denn je systemweite Neuausrichtungen.

Praxisnahe, niedrigschwellige Instrumente zu entwickeln, die Unternehmen und Finanzakteure unterstützen, den für die Transformation wichtigen Dialog auf Augenhöhe strukturiert und lösungsorientiert zu führen – das war die grundlegende Idee, als wir vor zwei Jahren gemeinsam mit PwC und dem BMWK das Projekt „Pathways to Paris“ starteten.

Diese Instrumente sollten nicht im stillen Kämmerlein entstehen, sondern von den betroffenen Akteuren herausgefordert und erprobt werden. Also suchten und fanden wir 90 Unternehmen und Finanzakteure, mit Sitz in Deutschland, die bereit waren, ihre Expertise und Markteinschätzungen zu teilen.

Auf der Abschlusskonferenz des Projektes Anfang Oktober 2022 wurde deutlich: Klimaschutz ist in der Wirtschaft und im Finanzsystem machbar – in Kooperation, mit einem starken Ambitionsniveau und dem Mut, auch dann weiter voranzuschreiten, wenn viele Gewohnheiten infrage stehen. Eine transformationspositive Rahmengestaltung der Politik muss jetzt zwingend folgen.

Altbekanntes kritisch zu hinterfragen, birgt Chancen für das Klima.

Kristina Jeromin, Geschäftsführerin des Green und Sustainable Finance Clusters, verdeutlichte zu Anfang ihrer Keynote, wie drei aktuelle Narrative die konsequente Umsetzung der Dekarbonisierung hemmen:

  • „Können wir uns die Transformation überhaupt leisten?“ suggeriert, wir hätten noch die Wahl. Es gäbe eine kostengünstigere Alternative zu einer konsequenten Dekarbonisierung, negiert die Kosten des Klimawandels und hemmt den Strukturwandel.
  • „Alles ist viel zu komplex und brauchen praktikable Lösungen“ unterstellt, dass die Lösung aktueller Herausforderungen nicht zumutbar ist.
  • „Jetzt erstmal die Wirtschaft retten“ negiert den Zusammenhang zwischen Klimakrise und Energiekrise.

Auf dem ersten Panel unter dem Motto „Vom Aufbruch zu Umsetzung“ berichteten Frank Düssler, Georgsmarienhütte GmbH, und Dr. Benjamin Janhsen, Vestolit GmbH, von den Herausforderungen auf ihren individuellen Wegen nach Paris. Kohlenstoff entsteht nicht nur in Prozessen, sondern wird auch als Grundstoff benötigt.

Silke Stremlau, Hannoversche Kassen & Sustainable Finance Beirat

„Inspirierend war heute Vormittag der eindeutige Aufruf zum Zusammenspiel der drei Kräfte Realwirtschaft, Finanzwirtschaft und Politik. Dazu die Frage, was kann die Realwirtschaft nun als Forderung an die Politik formulieren, was man nun braucht, damit die Transformation gelingt. Darunter der deutliche Ausbau erneuerbarer Energien, einen anderen CO2-Preis, damit grüner Stahl wettbewerbsfähiger wird und sich die Investitionen rechnen.

Im Workshop zum Beitrag von Engagement zur Transformation wurde deutlich, dass die Projektergebnisse weiterhelfen, da es dort Hinweise, Know-How, Indikatoren, Transformationspfade gibt. Wenn wir nun eine Engagement-Plattform gründen und in den Austausch gehen mit Unternehmen der verschiedenen Branchen, dann kann das ein ganz wichtiges Startpaket sein, um folgende Fragen zu erörtern: „Wie weit seid Ihr auf dem Paris-Pfad? Wo hapert es noch? Wie könnt Ihr es messen? Welche Zielmarken braucht Ihr?“ Hierzu bietet das Projekt einen großen Fundus.“

Petra Sandner, Helaba

„Die ganzheitliche und konsequente Transformation ist keine Option sondern eine Notwendigkeit und die Beiträge der Vertreter der Realwirtschaft haben erneut gezeigt, dass sie sich dieser Herausforderung stellt. Das hat uns darin bestärkt, aktiv mit unseren Kunden in den Dialog über Ihre Transformationsstrategien und Umsetzungsmaßnahmen zu treten, um unserer Rolle als Finanziererin des Wandels nachzukommen. Die sektorspezifischen Tools von P2P können hier eine wertvolle Unterstützung bieten.“

Jasminka Enderle, Green und Sustainable Finance Cluster

„Die Projektergebnisse fließen ganz konkret in unser Projekt Kundendialog Tool ein. Die entwickelten Indikatoren in zwei Sektoren – Immobilienwirtschaft und Energie – werden mit ihren KPIs übernommen und den Banken der Net Zero Banking Alliance im Tool zur Verfügung gestellt. Firmenkundenbetreuer:innen können das Tool direkt mit ihren Kunden einsetzen: Welche Fragen gilt es den Kunden zu stellen? Welche KPIs sind relevant? Es gibt allgemeine Fragen und sektorspezifische Fragen, welche direkt aus dem Pathways to Paris Projekt kommen. Hoffentlich werden diese in Zukunft in der Breite von den Banken angewandt, auch bei kleineren Unternehmen. Das schöne ist, dass die Firmenkundenbetreuer:innen in die Lage versetzt werden, die Kundenantworten in eine Art Benchmarking einzuordnen. Das hilft den Markt in der Transition nach vorne zu pushen.“

Industrieunternehmen müssen also den Einsatz alternativer, nachwachsender Rohstoffe testen oder Prozesse und Geschäftsmodelle völlig neu denken. Wie sehen konkrete, ambitionierte Transformationspfade aus und wie lässt er sich mit einem Investor besprechen?

„Nachfrage schaffen, auch wenn es (noch) nicht die profitabelste Lösung ist.“

Michelle Schmitz, Allianz SE, zeigte auf, wie sich Investoren dem Thema derzeit annehmen. Sie sollen durch die Bereitstellung von Eigen- und Fremdkapital maßgeblich zur Finanzierung der Transformationsinvestitionen beitragen. Zusätzlich müssen sie die durch die Klimakrise entstehenden Risiken systematisch in ihr Risikomanagement intergieren. Wie kann der Fortschritt eines Unternehmens auf diesem Pfad bewertet?

Sven Gentner, Referatsleiter Unternehmensberichterstattung, Audit und Kreditratingagenturen bei der EU-Kommission, betonte in seiner Keynote, dass die EU auch künftig über breitere internationale Anforderungen hinausgehen werde. Insbesondere die neuen Berichtsanforderungen unter der CSRD hätten das Ziel, wesentliche Informationen von Unternehmen zum Thema Nachhaltigkeit für externe Anspruchsgruppen besser nachvollziehbar zu machen. Teil dieser Disclosures sei unter anderen die Offenlegung von Klimazielen und der Beschreibung des Weges zu ihrer erfolgreichen Umsetzung.

„Wir können und müssen uns gegenseitig befähigen.“

Zum Abschluss diskutierten Simon Müller, Agora Energiewende, Dr. Nicole Röttmer, PwC Deutschland, und Matthias Kopp, WWF Deutschland, dass wir angesichts der globalen Energiekrise die transformativen Fragen nicht vergessen dürfen. Bei der Gestaltung der Transformation gilt es mit verschiedenen Spannungsfeldern umzugehen: Zum einen bedarf es Klarheit, u.a. in Form von Umsetzungsszenarien, zum anderen braucht es Flexibilität, wie bei der Wahl der Technologien. Es braucht eine Unterstützung der Wirtschaft – aber auch klare Forderungen an sie. Durch gezielte systemische Eingriffe wie Standardisierung u.a. von Berichtspflichten sowie Leitmärkte für Grüne Produkte kann die Politik die Transformation aktiv unterstützen.

Georg Schattney, Corestate Capital S.A.

„Heute war es besonders spannend, weil nicht nur die Wirtschaft da war, sondern auch das erweiterte Umfeld inkl. der Politik aus Berlin und Brüssel. Nur in diesem Dialog können wir die sehr ambitionierten Klimaziele erreichen, das ist meine Überzeugung. Insofern: Bitte mehr davon!“

Frank Düssler, Georgsmarienhütte GmbH

„Pathways to Paris muss weitergehen! Jetzt geht es darum, gemeinsam weitere Instrumente für die Umsetzung der Transformation zu entwickeln.“

Joshua Jung, ING-DiBa AG

Spannende Aussage im Rahmen der Konferenz: „Wir stehen am Ende des Projekts und damit am Anfang der Umsetzung. Wir haben noch einen weiten Weg zu gehen. Pathways to Paris bildet eine wichtige Grundlage für Banken und Unternehmen und ist ein guter Schritt in die richtige Richtung.“

Es ist richtig, dass die zu beantwortenden Fragen derzeit schmerzen. Dass wir nicht alle Antworten kennen. Gehen wir sie jetzt ernsthaft an, führt es langfristig zum einem wettbewerbsfähigen, stabilen Wirtschaftsstandort Deutschland. Plattformen wie Pathways to Paris in dem vertraulich, vorwettbewerblich Schlüsselmaßnahmen und Bedingungen für Transformationspfade diskutiert werden können, sind dabei hilfreiche Sparringspartner. Die im Projekt entwickelte „Tool Box“ steht ab November 2022 vollständig und jedem zur Verfügung – kostenfrei. Denn Transparenz, Dialog und Kooperation – kurzum eine wechselseitige Beförderung – ist essenziell, um die massiven Anstrengungen in der kurzen noch verbleibenden Zeit zu stemmen.