Energiewende: die Bürokratie-Blockade durchbrechen!

 

 

Windräder, Wasserstoffanlagen, Ladesäulen: Immer wieder scheitern klimafreundliche Investitionen und Innovationen am komplexen Genehmigungsrecht. Erste Gesetzesinitiativen und Modellprojekte zeigen nun, mit welchen Hebeln sich das ändern lässt.

Windräder? Gerne – aber nicht in meiner Nähe. Auf diese Haltung stoßen Energieunternehmen in Deutschland immer wieder. Die Folge der teils heftigen Widerstände: Zuletzt gingen jeweils nur wenige hundert Windräder pro Jahr ans Netz. Das ist verheerend, denn laut Fachleuten sind jährlich 1.500 bis 2.000 neue Anlagen nötig, um die deutschen Klimaziele zu erreichen.

Dabei mangelt es keineswegs an verfügbaren Flächen: Selbst bei konservativer Schätzung eignen sich mehr als drei Prozent Deutschlands für Windräder. Weil dort genug Wind weht und weil sich das Potenzial für Konflikte, etwa mit Anwohnenden, in Grenzen hält. Das Ziel der Ampelkoalition, zwei Prozent der Fläche für Windkraft zu nutzen, ist damit alles andere als utopisch.

Eine hohe Hürde ist jedoch das komplexe Planungs- und Genehmigungsrecht, das Blockaden erleichtert: Branchenkennenden zufolge scheitern hierzulande 80 bis 90 Prozent der Genehmigungsverfahren. In vielen anderen Fällen kommt es zu erheblichen Verzögerungen, oft gehen Windräder erst nach fünf bis sieben Jahren in Betrieb.

Für Projektverantwortliche ist das mehr als ärgerlich. Denn der Verzug wirft regelmäßig ihre Kalkulation über den Haufen – weil Einnahmen später fließen, aber auch, weil Bauteile nicht mehr verfügbar und neue Modelle weitaus teurer sind. Dadurch müssen Anträge oft umgeschrieben werden, was neue rechtliche Angriffspunkte eröffnet. Das unternehmerische Risiko steigt deutlich.

Komplexe Rechtsvorschriften rufen Verhinderer auf den Plan

Auch in anderen Bereichen verzögern, erschweren oder verhindern bürokratische Hürden wichtige Investitionen – seien es in Wasserstoffanlagen, in Ladesäulen oder in Forschungsprojekte für innovative Technologien. Insbesondere Pilotprojekte sind in Deutschland schwierig durchzusetzen, weshalb Unternehmer:innen häufig ins Ausland ausweichen.

So dürfen die Behörden sogenannte Pilotwindenergieanlagen hierzulande nur bis zu einer Leistung von sechs Megawatt zulassen. Dank des technischen Fortschritts überschreiten inzwischen jedoch etliche Anlagen diese Grenze. Die absurde Folge: Deutsche Hersteller müssen ihre modernsten Anlagen in anderen Ländern testen.

FSC-Logo auf Holzstämmen © N.C. Turner / WWF

Und auch die kontrovers diskutierte EU-Taxonomie gesellt sich in die Reihe der Bremser. Kredite an Projektgesellschaften für Windräder fallen nicht unter die als grün Deklarierbaren.

Fachkundige sind sich einig: Wenn es nicht gelingt, diese und andere bürokratische Hürden deutlich zu senken, scheitert die Energiewende.

Natürlich: Prüfungen sind wichtig. So gilt es bei Windparks, Beeinträchtigungen für Anwohnenden und Natur auszuschließen oder zu minimieren. Zudem ist es ein zentrales rechtsstaatliches Prinzip, dass Bedenken von Bürger:innen ernstgenommen werden.

Doch Erfahrungen von Unternehmern und Fachleuten zeigen: Hierzulande kommt es in erheblichem Maße zu unnötigen Verzögerungen und fragwürdigen Ablehnungen. Denn das komplexe Planungs- und Genehmigungsrecht ermöglicht gezielte Blockaden mit bisweilen wenig fundierten Argumenten. Zudem sind viele Behörden völlig überlastet.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck setzt deshalb nun auf zwei Hebel: Er will das Planungs- und Genehmigungsrecht entschlacken, ohne rechtsstaatliche Prinzipien zu beeinträchtigen. Und er will Bundesländer und Kommunen überzeugen, Behörden mit mehr Personal auszustatten.

Energiewende vs. Artenschutz? Vom Zielkonflikt zur Win-Win-Strategie 

Sägemühle © WWF Switzerland / A. della Bella / WWF

Im Zentrum des ersten Hebels stehen Rotmilane und Schwarzstörche. Denn die „windkraftsensiblen Vogelarten“ bereiten Projektierern regelmäßig schlaflose Nächte: Wenn die Gefahr besteht, dass auch nur ein Tier mit der Anlage kollidiert, stehen erhebliche Verzögerungen der Planungs- und Genehmigungsverfahren an. Habeck will deshalb weg vom „Individuenschutz“ – und hin zu einem populationsbezogenen Artenschutz.

Damit das gelingt, können zum Beispiel im Rahmen der Regionalplanung sogenannte Windkonzentrationszonen ausgewiesen werden, in denen der Bau von Windkraftanlagen möglich ist. Dabei werden Naturschutzbelange direkt mitgeprüft. So würde die Rechtssicherheit für Projektierer erhöhen.

Schwerpunktvorkommen von windenergiesensiblen Arten werden dann als sogenannte Dichtezentren ausgewiesen, von der Windenergienutzung ausgeschlossen sind. Das ermöglicht eine dauerhafte Abgrenzung von Gebieten mit einer hohen Siedlungsdichte besonders geschützter oder kollisionsgefährdeter Arten – und damit den Schutz der Quellpopulationen sowie verlässlichere Planungen für Windenergien-Projekte.

Statt jedes einzelne Tier zu schützen, rücken Artenschutzprogramme den Schutz der gesamten Population in den Fokus – beispielsweise durch das Schaffen neuer Habitate.

Allerdings muss es für ein solches „Win-Win“ tatsächlich zu wirksamen Maßnahmen für Biodiversität kommen. Der WWF fordert deshalb von der Ampel „mehr Geld für den Erhalt der Biodiversität“. Die vom Bundesumweltministerium bereits in Aussicht gestellte Summe von einer Milliarde Euro ist hier eine wichtige Grundlage.

Um Genehmigungsverfahren weiter zu beschleunigen, will die Koalition zudem klarstellen, dass der Windkraft-Ausbau im öffentlichen Interesse ist und der Energiesicherheit dient. Das soll es erschweren, den Ausbau der Windenergie mit wenig fundierten Argumenten zu verhindern. So könnten allzu großzügige Vorgaben für den Abstand von Windrädern zu Wohngebieten, wie sie etwa in Bayern existieren, schon bald für unzulässig erklärt werden.

Mehr Personal – und Reformen in der Verwaltung 

Auch an Hebel Nummer zwei wird bereits kräftig gearbeitet. So hat Nordrhein-Westfalen kürzlich ein Modellprojekt gestartet und neue Stellen in den Behörden geschaffen. Nun könnten „diverse Anzeige- und Genehmigungsverfahren parallel bearbeitet werden“, vor allem im Bereich grüner Wasserstoff.

Diese und vergleichbare Initiativen sollen nun für den entscheidenden Rückenwind sorgen. Denn zahlreiche Unternehmen stehen in den Startlöchern. So planen nach Angaben des Think Tanks Agora Energiewende gleich drei Stahlhersteller, 2025 in die Produktion mit grünem Wasserstoff einzusteigen.

Auch in anderen Branchen hat sich die Wirtschaft auf den Weg gemacht. Die Politik muss ihn nun ebnen.

FSC-Logo auf Holzstämmen © N.C. Turner / WWF