Ihr Compliance-Auftrag: Klimaschutz!

 

 

Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Frühjahr steht fest: Klimaschutz ist eine knallharte rechtliche Verpflichtung; Zauderern drohen empfindliche Konsequenzen. Wie Unternehmen und Entscheider sich wappnen können.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat im Oktober Dea Wintershall verklagt: Der Kasseler Konzern müsse sich verpflichten, ein Paris-kompatibles CO2-Budget einzuhalten. Dazu gelte es, spätestens ab 2026 keine neuen Öl- oder Gasförderprojekte mehr zu beginnen, fordern die Umweltschützer. Mit ähnlichen Klageankündigungen sehen sich derzeit die Autohersteller BMW, Mercedes-Benz und Volkswagen konfrontiert. Trotzdem schloss sich auf der Weltklimakonferenz in Glasgow (COP26) nur ein Autohersteller der Initiative an, bis 2040 Schluss zu machen mit dem Verbrennungsmotor.

Die aktuellen Klagen dürften nur der Beginn einer Welle sein. Denn auch andere Organisationen sind fest entschlossen, Klimaschutz auf juristischem Wege durchzusetzen. Dazu hat ihnen das Bundesverfassungsgericht im Frühjahr schließlich eine Steilvorlage geliefert: Es stellte in einem historischen Beschluss klar, dass es ein Grundrecht auf Klimaschutz gibt.

De facto erklärten die Richter das 1,5-Grad-Limit des Pariser Abkommens für verfassungsrechtlich verbindlich und lieferten Klimaschützern ein scharfes juristisches Schwert: Der Gesetzgeber steht nun unter Daueraufsicht. Climate Change Litigation ist auf dem Vormarsch.

Steilvorlage für Unterlassungsklagen

Zugleich haben die Verfassungshüter eine Art Verkehrssicherungspflicht etabliert, Klimaschäden abzuwenden. Das Urteil betrifft zumindest mittelbar auch Unternehmen – und damit sämtliche Entscheider:innen in der Wirtschaft. Denn mit dem Votum ist mangelnder Klimaschutz endgültig zu einem Risiko avanciert, dass sie genau beobachten und managen müssen.

Zur Erinnerung: Vorstände und Geschäftsführer:innen sind verpflichtet, effektive Compliance-Management-Systeme einzurichten, um Risiken frühzeitig identifizieren und eigene Rechtsverstöße verhindern zu können. Zu diesen Risiken zählen nun eben auch teure, rufschädliche und folgenschwere Klima-Unterlassungsklagen.

Handschlag © Getty Images

Deshalb ist es höchste Zeit, Klima-Prozessrisiken in betriebliche Monitoring- und Risikomanagement-Systeme zu integrieren. Und Vorstände und Geschäftsführer:innen sollten diese „Sorgfaltspflicht“ keinesfalls auf die leichte Schulter nehmen. Denn Verstöße können schwerwiegende Folgen haben – für die Finanzen und die Reputation des Unternehmens, aber auch für die eigene Haut: Managern drohen Haftungsklagen von den eigenen Aufsichtsratsmitgliedern oder von Unternehmenseigentümer:innen. 

„Unternehmen müssen ihre Compliance-Management-Systeme im Hinblick auf Risiken überprüfen, den aktuellen Rechtsentwicklungen anpassen und für eine kontinuierliche Risikobeobachtung sorgen“, sagt Julius Reiter, Professor für Wirtschaftsrecht und Vorstand bei Transparency International. „Dann lassen sich Schadenersatzforderungen und Bußgelder vermeiden oder zumindest deutlich verringern.“

„Fit für Paris“ statt juristischer Scharmützel

Antarktis © Greg & Kate Bourne / WWF Australien

Hinzu kommt: Die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) arbeitet derzeit im Auftrag der EU-Kommission an einem Berichtsstandard. Unternehmen sind deshalb künftig zu mehr Transparenz im Umgang mit der Klimakrise verpflichtet. Zudem rückt der neue Standard erforderliche Anpassungen der Geschäftsmodelle in den Fokus.

Entscheider:innen sollten deshalb zweierlei veranlassen. Erstens: Unternehmen müssen spätestens jetzt prüfen, wie viele Treibhausgase sie derzeit emittieren, wo ihre größten Einsparpotenziale liegen und welche Optionen es gibt, diese Hebel zu nutzen.

Denn nur wer weiß, wo auf dem Transformationspfad er sich befindet, kann adäquate Maßnahmen auf den Weg bringen.

Darüber hinaus gilt es – zweitens – zu analysieren, wie hoch das kurzfristige Risiko einer Unterlassungsklage ist. Dazu müssen Compliance-Manager verstehen, wie potenzielle Kläger:innen vorgehen: Sie brechen typischerweise das weltweite Treibhausgas-Restbudget auf Länder, Branchen und einzelne Unternehmen herunter – und schauen dann, wer nach aktuellem Stand darüber liegt.

Ein großes Problem dabei ist, dass es dafür noch keine einheitliche, wissenschaftlich anerkannte Rechenmethode gibt. Auch Entscheider:innen, die sich in Sachen Transformation (vermeintlich) auf einem guten Weg wähnen, können deshalb ins Visier von Unterlassungsklägern geraten.

Dafür wappnen sie sich aber am besten mit ambitionierten, rechtlich unangreifbaren Klimastrategien – und nicht, indem sie Argumente gegen Rechenmethoden sammeln oder gar konstruieren. Worauf bei Ersterem ankommt, steht im neuen WWF-Leitfaden „Fit für Paris“.