Neue Speisepläne für uns und unsere Kühe
Die Ernährung von Nutztieren ist ein starker Hebel, um Treibhausgase zu reduzieren. Wissenschaftler*innen arbeiten deshalb mit Hochdruck an neuen Konzepten. Was künftig in den Mägen landen sollte.
Methan ist ein echter Klimakiller: Das Gas hat einen rund 25-mal stärkeren Treibhauseffekt als Kohlendioxid – und macht die Landwirtschaft damit zu einer entscheidenden Branche, um den globalen Temperaturanstieg zu begrenzen. Denn Methan entsteht vor allem in den Mägen von Rindern und anderen Wiederkäuern, die das Gas dann, ja, in die Atmosphäre rülpsen und pupsen.
Aktuelle Zahlen untermauern, dass der natürliche Vorgang ein gewaltiges Problem ist: Die Landwirtschaft verursacht hierzulande mehr als sieben Prozent der Treibhausgasemissionen, und fast 40 Prozent davon hängen direkt mit Verdauungsprozessen Rindern und Milchkühen zusammen.
Wenn die Tiere bei der Verdauung weniger Methan ausstoßen, wäre fürs Klima deshalb viel gewonnen. Wissenschaftler beschäftigen sich deshalb seit Jahren intensiv mit den Verdauungsprozessen von Wiederkäuern und entwickeln neue Speisepläne, um Emissionen zu reduzieren.
Auch in der die Politik steht das Thema weit oben auf der Agenda. So hat die EU eine Reform der „Gemeinsamen Agrarpolitik“ (GAP) auf den Weg gebracht, um neue Anreize für höhere ökologische Standards in der Landwirtschaft zu schaffen. Doch die Umsetzung in nationales Recht ist nach Einschätzung des WWF unbefriedigend. Zudem ist gerade in der Tierhaltung umstritten, was dem Klima wirklich hilft.
Acker statt Weide? Ein schlechter Tausch
Auf den ersten Blick liegt die Lösung auf der Hand: Wenn Rinder, Milchkühe und andere Nutztiere weniger Gras und Heu fressen, entsteht weniger Methan. Also runter von der Weide, rein in den Stall und her mit Futterpflanzen wie Soja oder Mais? Nein, denn das hätte auch jenseits des Tierschutz-Aspekts gravierende Nachteile und hilft auch dem Klima nicht.
Erstens: Weiden schützen das Klima. „Runter von der Weide“ hieße, dass weniger Grünflächen gebraucht werden – und im Gegenzug mehr Äcker für den Futteranbau. Fürs Klima wäre das ein schlechter Tausch. Denn Weideflächen binden Treibhausgase – anders als Äcker, bei deren Düngung häufig noch Lachgas entsteht. Das ist alles andere als erheiternd, denn Lachgas ist 300-mal so klimaschädlich wie CO2.
Zweitens: Fürs Futter sterben Wälder. Das beliebteste Zusatzfutter – Soja – stammt zu 80 Prozent aus den USA, Brasilien oder Argentinien. Für den Anbau wurden und werden immer noch riesige Wald- und Savannenflächen in Äcker umgewandelt. Soja ist nur selten nachweislich „entwaldungsfrei“; ein Großteil der 43 700 Hektar Wald, die Deutschland laut aktueller WWF-Entwaldungsstudie Jahr für Jahr indirekt importiert, entfällt auf das Futtermittel.
Die beiden Nachteile zeigen deutlich, dass es (im wahrsten Sinne des Wortes) kein Patentrezept gibt. Allerdings hat sich eine Stoßrichtung herauskristallisiert, die sich auf folgende Formel bringen lässt: „Die Mischung machts“. So sollten Tierhalter*innen weiter auf Weidehaltung samt Zusatzfütterung setzen – und dabei an zwei wichtigen Stellschrauben drehen.
Herkunft & Verdauung: Die wichtigsten Handlungsfelder
Mehr heimische Futtermittel einsetzen. Weniger Soja aus Übersee – und mehr Raps- oder Sonnenblumenschrot, Erbsen, Ackerbohnen oder Lupine aus der Region: Mit dieser Strategie können Tierhalter*innen ihren CO2-Fußabdruck deutlich reduzieren. WWF-Studien zeigen, dass sich schon heute zwei Drittel des Sojas durch Futter aus heimischen Quellen ersetzen lassen.
Weitere Optionen sind der Kauf von zertifiziertem Soja sowie der Anbau proteinreicher Tiernahrung wie Klee oder Luzerne auf dem eigenen Gelände. Letzteres hat einen doppelten Vorteil: Landwirt:innen brauchen weniger Zusatzfutter und sorgen zugleich dafür, dass ihre Böden noch mehr Kohlenstoff binden. Darüber hinaus arbeitet die Forschung an Soja-Alternativen wie Bakterien, Hefen, Pilzen oder Algen, die nicht vom Acker, sondern in Laboren gezüchtet werden.
Die Verdauung der Kühe fördern. Agrarwissenschaftler wie Martin Hünerberg von der Uni Göttingen sind überzeugt, dass sich Methan-Ausstoß durch leicht verdauliches Kraftfutter deutlich senken lässt. Sie wollen deshalb zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: mit Futtermitteln, die „entwaldungsfrei“ und verdauungsfördernd zugleich sind. Eine Option ist hier der Zusatz von Fettsäuren.
Pilotprojekte zeigen, dass neue Fütterungskonzepte erhebliches Potenzial haben – zumal sie, wenn es gut läuft, auch die Produktivität erhöhen und eine langfristige Reduktion der Bestände (mit Rücksicht aufs Tierwohl) erleichtern können. Denn eine solche Reduktion ist der stärkste Hebel.
Wer‘s ernst meint mit Klimaschutz, darf und muss also nicht allein auf Solaranlagen, Grünstreifen und Agroforst-Systeme setzen (oder gar auf Absauganlagen für Methan hoffen). Landwirtschaftsbetriebe sollten sich zudem mit den Speiseplänen ihrer Tiere beschäftigen – und bereit sein, neue Wege zu beschreiten. Denn nur die führen nach Paris.
Exkurs: Ernährungswende
Die Landwirtschaft wird zu den Sektoren zählen, in denen nach 2045 Restemissionen eine Rolle spielen werden. Neben dem Blick auf die Ernährung der Tiere, lohnt sich also ein Blick auf unseren eigenen Teller.
Der Living Planet Report des WWF erläutert, wie stark unsere Ernährungsgewohnheiten mit negativen Umweltauswirkungen verbunden sind: 80 Prozent der Entwaldung, 70 Prozent des Verlustes an Biodiversität und ein Drittel der gesamten globalen Treibhausgasemissionen sind auf unser Ernährungssystem zurückzuführen. Insbesondere der Konsum tierischer Produkte fällt dabei ins Gewicht. Die Umstellung unserer Ernährungsweisen auf weniger Eier, Fleisch- und Milchprodukte und auf mehr pflanzliche Eiweiße (Linsen, Bohnen, Erbsen oder auch Ersatzprodukte wie Tofu, Seitan etc.) ist damit einer der stärksten Hebel was Klima- und Umweltschutz betrifft.